Schlechte Laune

Jeder Mensch ist manchmal traurig. Auch die betagten Bewohner sind manchmal richtig down. Schwierig ist, dass sie oft wenig Kontakte haben, mit denen sie darüber sprechen können oder wollen.

Als ich eines Tages Frau Y., eine ehemalige Nachbarin meines Elternhauses wiedersah, war sie gerade eingezogen ins Seidencarré (Betreutes Wohnen) in der Nähe vom Gerhard Tersteegen Haus. Heute wurde mir klar, dass das wohl war, nachdem ihr Mann gestorben war.

Ich wollte mir gerade einen Eiscafé beim Café im Seidencarré kaufen. Da sah ich Frau Y. wie sie lustlos, ziellos, einfach vollkommen unmotiviert um die Ecke bog.

„Hallo Frau Y.“: grüßte ich sie.

„Wer ist da?“, fragte sie unsicher. Sie sieht sehr schlecht.

„Ich bin’s, Katrin, Katrin S.!“, erwiederte ich.

„Ach! Katrin! …  Wie geht es den Eltern? Die habe ich schon länger nicht gesehen. Sie kamen doch Samstags immer zum Kaffee“, fragte sie besorgt.

„Denen ist es zu heiß. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sich lieber unter einen Baum im Garten setzen. Sie sind ja mittlerweile auch schon über 80. … So, ich bestelle mir jetzt einen Eiscafé und setze mich damit auf die Terrasse. Wenn sie möchten, bestellen sie sich doch auch etwas und setzen Sie sich zu mir.“

„Ach nein, ich möchte Sie nicht stören. Sie sind sicherlich nicht allein…“

„Doch. Da sitzen nur Leute am Nachbartisch und spielen Karten.“

Also bestellte sie sich eine Tasse Kaffee und ein Stück Pflaumenkuchen und setzte sich zu mir.

Frau Y. war an dem Tag schlecht drauf. Mein erster Eindruck hatte mich nicht getäuscht. „Frau X. ist gestorben“, informierte sie mich. Ich hatte keine Ahnung, wer Frau X. war. Aber ich brauchte nur etwas zu warten. Da sprach Frau Y. weiter: „Wir saßen im Speisesaal an einem Tisch. Mittags hatten wir noch zusammen gegessen. Abends war sie schon tot.“

„Das ist natürlich hart“, sagte ich.

„Hier stirbt einer nach dem anderen weg“, sagte Frau Y. missgelaunt.

„Ich lebe in einem Altenheim und Sie leben im Betreuten Wohnen für Senioren“, meinte ich Schultern zuckend, „aber wir wohnen hier sehr schön (ich zeigte auf den Garten) mit der nötigen Hilfe, die wir brauchen“, relativierte ich ihre miesepetrige Stimmung.

Da lächelte sie plötzlich.