Herr Sch. schreibt ein Buch

Ralf Schuffels' Buch
Ralf Schuffels’ Buch

Herr R. Sch. ist ein ganz besonderer Bewohner des Gerhard-Tersteegen-Hauses. Der tägliche Blog-Leser kennt ihn schon aus meinem Beitrag vom 23. August 2016, “Abenteuer Straßenbahnfahrt mit E-Rolli“. Er ist von Geburt an körperbehindert. Die Eltern waren einfache Leute, stets offen und ehrlich. Für sie war klar, der behinderte Sohn sollte die gleichen Chancen bekommen wie seine 3 Geschwister! Sie hatten den Mut, ihn zu Hause aufwachsen zu lassen. Andere behinderte Kinder lebten oft in Heimen. Die Eltern aber lebten das Wort “Familiensinn”. R. wuchs zu Hause auf, bekam keine ‘Extrawurst’ und erhielt die gleichen Chancen wie seine gesunden Geschwister.

R. wuchs als kontaktfreudiges, neugieriges, interessiertes Kind auf. Zweimal wurde er in der Schulzeit operiert, um ihn beweglicher zu machen. Dann fiel er Monate-lang in der Schule aus. Dadurch wurde seine Schulzeit um zwei Jahre verlängert.

Früher wie heute übernimmt Herr Sch. gerne Verantwortung und wendet sich mit Freude neuen Aufgaben zu. So war er in  der Schulzeit Klassensprecher, entdeckt im Urlaub neue Länder (Italien und Holland mit der Familie). Auch heute entdeckt er noch gerne neues. Er fährt öfters mit dem Zug in bekannte und bis dahin unbekannte Orte. Für mich ist Herr Sch. ein mutiger, zielstrebiger Mann.

Religion war ihm schon immer sehr wichtig. Er wollte eine Zeitlang sogar Pastor werden. Auf jeden Fall engagierte er sich in seiner Kirche.

In seiner Jugend war der Berufswunsch jedoch Autoschlosser. Er verbrachte viel Zeit in einer benachbarten Autowerkstatt. Gerne hätte er ein Praktikum dort gemacht. Als Rolli-Fahrer hatte er jedoch schlechte Voraussetzungen – leider.

Auch in puncto Liebesbeziehung machte er die bittere Erfahrung, dass die Gesellschaft mit Liebe und Sexualität von behinderten Menschen eher restriktiv umgeht. Das normalste der Welt wollen viele Menschen Behinderten nicht zugestehen.

Die zweite große Liebe des Herrn Sch. gilt dem Fußballverein KFC Uerdingen 05. Bei jedem Heimspiel war Herr Sch. früher im Stadion. Bei Auswärtsspielen durfte er auch schon mal im Mannschaftsbus mitfahren. Heute noch verfolgt er das Vereinsgeschehen über Zeitung und Lokalradio.

Mit Abschluss der Schule begann für Herrn Sch. das Berufsleben. Er arbeitete 17 Jahre lang im Heilpädagogischen Zentrum Krefeld-Kreis Viersen gGmbH. Leider schaffte er es nicht, die 20 Jahre voll zu machen, die er für die Rente unbedingt benötigte.

Bei den Eltern auszuziehen schaffte er erst, als er 1988 heiratete. Es war ein großer Umbruch in seinem Leben.

Doch nun will ich aufhören, die Biografie von Herrn Sch. zu erzählen. Wie es weiter ging, erfahrt ihr in Herrn Sch.’s Buch. Es ist auf jeden Fall eine spannende Geschichte mit viel Auf und Ab.

2016-08-27 13.23.01

Früher Apothekerin

Es wird Zeit, auch mal aus meiner eigenen Vergangenheit zu erzählen.

Ich besuchte das Gymnasium. Für die Klassen 5 – 7 ging ich in den USA erst auf die Elementary School (Klassen 5 und 6) und dann für die 7. Klasse zur Junior High School. Mein Vater wurde beruflich nach Pittsburgh versetzt und nahm die Familie mit.

Pittsburgh skyline7.jpg
Von Filipe Fortes from New York, United States – [1], CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4800628

Als wir dann nach 3 Jahren zurück nach Krefeld kamen, wiederholte ich die 7. Klasse auf dem Gymnasium noch einmal. Da ich sehr jung eingeschult worden war, passte ich vom Alter her gut in die neue Klasse.

Nach dem Abitur studierte ich Pharmazie in Bonn. Die ersten Berufserfahrungen bekam ich nach 8 Semestern Studium im praktischen Jahr. 6 Monate war ich in Krefeld in einer öffentlichen Apotheke,

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6 Monate bei der Bayer AG in Leverkusen in einem Forschungslabor.

LogoVon Unbekannt – Geschäftsbericht 2015, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47424469
Pano-bayer-leverkusen.jpgVon A.Savin (Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7097050

Ende 1992 bekam ich dann nach bestandenem 3. Staatsexamen in Düsseldorf die Approbation als Apothekerin.

Nun hätte ich im Dezember 1992 in den Beruf als Apothekerin einsteigen können. Doch ich gönnte mir 4 Monate Zwischenzeit um mich mit etwas ganz anderem als Formeln und Chemie zu befassen. Ich ging nach Mittelamerika, nach Guatemala, und lernte ein neues Land, eine neue Kultur und eine neue Sprache kennen.

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Als ich dann 2½ Monate später nach Krefeld zurückkehrte, bewarb ich mich bei verschiedenen Apotheken um eine Stelle als Apothekerin. Denn mir war während des praktischen Jahrs klar geworden, dass ich eher geschaffen bin für eine Stelle in der öffentlichen Apotheke mit Kundenkontakt, als für eine Stelle in einem Labor in der pharmazeutischen Industrie.

Bei der dritten Bewerbung passten meine Vorstellungen und die der zukünftigen Chefin am besten zusammen und ich fing zu 01.05.1993 meine erste Stelle als angestellte Apothekerin im Münsterland an.

Leider bekam ich 1994 meinen ersten Multiple Sklerose Schub, 8 Monate später meinen zweiten und dann auch gleich nach vielen Untersuchungen die gesicherte Diagnose MS.

Ich arbeitete noch fast 10 Jahre in meinem Beruf, wechselte noch zwei Mal die Apotheke, blieb aber stets im Münsterland.

Seit 2002 bekomme ich BU-Rente, erst befristet, dann seit Ende 2004 unbefristet. Erst fiel es mir sehr schwer, schon mit 35 Jahren Rentnerin zu sein. Die Anerkennung, die einem eine Geld verdienende Anstellung gibt, fiel weg. Man muss sich seinen Alltag neu strukturieren, neue Aufgaben suchen, soweit einem das die MS zulässt. Das ist ein langer Weg.

Auch in der Zeit als Rentnerin habe ich unzählige Krankheitsschübe gehabt. In der ersten Zeit entwickelten sich die Auswirkungen meist vollständig wieder zurück. Doch dann blieb immer mehr zurück. Seit September 2012 ging es rasant bis ich 2013 im Rolli und im Altenheim/Pflegeheim landete (da war ich erst 45). Ich musste meine alte Wohnung aufgeben. Langsam stabilisiert sich meine Gesundheit wieder. Von einer selbstständig lebenden Frau in eigener Mietwohnung, selbst Autofahrerin, landete ich also in einer Pflegeeinrichtung.

Jetzt bin ich in 2 Monaten schon 3 Jahre hier und fühle mich meist sehr wohl hier! 👍  ☺️

Ich bin ganz aufgeregt

Irgendwie bin ich ganz aufgeregt wegen des morgen erscheinenden Beitrags.

Es wird ein Beitrag sein, der viel über mich preisgibt.

Ein Beitrag in der Kategorie ‘Beruf früher’.

Ich habe mir gedacht, dass ich schon so viele Bewohner zu ihrem Beruf befragt habe, aber von mir noch nicht viel erzählt habe.

Also seid gespannt!

Der Beitrag ist jetzt fertig und auf 09.19 Uhr getimt.

Reichssegelflugschule Hummerich – Teil 4 (Ende)

Bisher habe ich über die hellen Seiten der Reichssegelflugschule berichtet. Aber es gab auch dunkle und eine dieser unsympathischen war der Geist, der in dieser Schule herrschte. Doch auch darüber und über ein sehr schreckliches Erlebnis möchte ich berichten.

Blicken wir zurück. Es war das Jahr 1944. Der Krieg dauerte nun schon 4 Jahre an und die Verluste an Menschen und Material waren enorm. Die Luftwaffe brauchte unbedingt neue Piloten. Die relativ wenigen Reichssegelflugschulen schafften es nicht, den Bedarf zu decken. Also schritt die Luftwaffe zur Selbsthilfe. Sie richtete sogenannte „Fluglager“ ein und bildete die Angehörigen der Flieger-HJ mit aus. Natürlich nicht so komfortabel wie es die Schulen konnten. Das Fluglager, das ich als Anfänger besuchte, bestand aus 2 RAD-Baracken mit je 3 Räumen. In der ersten Baracke waren die Küche, die beiden Ausbilder (verwundete Feldwebel der Luftwaffe, zur Reha in die Heimat abkommandiert) und ein Magazin untergebracht. In der zweiten waren wir Flugschüler untergebracht. 24 Mann. Wir schliefen in doppelstöckigen Feldbetten auf Strohsäcken.
Nebenan war der Aufenthalts- und Essraum.
Toiletten? Gab es nicht. Aber Beile. Und damit fällten wir einen Baum, sägten 2 Astgabeln ab und rammten sie in kurzen Abständen in den Boden. Den dünnen Baumstamm schälten wir ab und sägten ihn auf Länge und legten ihn auf die beiden Astgabeln. Fertig war der Donnerbalken.
Um unsere Verpflegung kümmerten sich 2 gutproportionierte Muttis aus dem nahen Dorf – und die kochten sehr gut.
Geflogen wurde von 7:00 – 19:00 Uhr, sofern die Spitfire & Co. es zuließen.
Und diese erschienen rudelweise. Fast täglich. In ca. 10 km Entfernung lag der Flughafen Hangelar und von dort aus stieg im 10-Minuten-Abstand eine V1 auf. Unverkennbar am röhrenden Geräusch der Pulsotriebwerke. Die unterirdischen Abschussrampen suchten sie, um sie zu zerstören. Fanden sie aber nicht, da diese sehr gut getarnt waren. In diesen Zwangspausen saßen wir oben auf dem Hang und schauten den ca. 100 Jägern beim Luftkampf zu.

Morgens um 7:00 hieß es: Antreten zum Appell. Der Fluglehrer (Feldwebel Krupp) begrüßte uns: „Guten Morgen Jungens“ und wir grüßten zurück mit: „Guten Morgen Herr Feldwebel.“ Nach dem Abzählen hieß es weggetreten und wir gingen zum Hang und begannen mit dem Flugbetrieb.

Nachdem wir (Wir 3 Freunde, Heinz, Toni und ich) diesen Lehrgang absolviert hatten, kam zu unserer freudigen Überraschung die Einberufung zur Reichssegelflugschule Hummerich. Das war eine freudige Überraschung. Wir betrachteten es als eine Auszeichnung.
Die Freude schlug schnell ins Gegenteil um.
Betrieben wurde die Schule vom NSFK, dem Nationalsozialistischem Fliegerkorps. Schul- und oberster Fluglehrer war der Obersturmbannführer Plewe. Auch die beiden Fluglehrerinnen waren Angehörige des NS-Fliegerkorps.
Das erste, was uns der Obersturmbannführer einpaukte, war: Auf den Gängen der Schule herrscht Rechtsverkehr und jeder entgegenkommende Angehörige der Schule ist mit dem Hitlergruß (Rechter gestreckter Arm hoch, Fingerspitzen in Augenhöhe) zu grüßen. 3 Schritte vor und 2 Schritte nach der Begegnung. Dabei ist der Kopf nach links zu drehen und den oder die Führer anzusehen. Dieses Grüßen beschränkte sich nicht nur auf die erste Begegnung, sondern hatte bei jeder zu erfolgen und das rund um die Uhr, egal wie oft und wann.
Mann, war das bescheuert!
Ich könnte noch mehrere, ähnliche Beispiele aufführen. Lasse es aber bei dem einen, weil man schon an diesem erkennen kann, welche Arroganz in diesen Kreisen und auf dieser Schule herrschte.

Zum Schluss noch das traurigste Erlebnis aus dieser Zeit: Es war Nacht und wie üblich gab es Fliegeralarm. Einen Luftschutzkeller oder Schutzbunker hatte die Schule nicht. Frühere Flugschüler hatten im Vorgelände Schützengräben ausgehoben in die wir bei Gefahr flüchten konnten, standen aber sonst im Freien.
Wir hörten sie kommen, die viermotorigen Bomber mit dem an- und abschwellenden Brummen der nicht synchron laufenden Motoren.
„Wo wollen die hin?“, fragten wir uns, als das Bombengeschwader Kurs auf uns zu nahm. Wir sollten es bald erfahren, denn hinter dem Hummerich leuchtete und krachte es. Schnell stiegen wir zum Gipfel hoch, um zu sehen was da los war.

US-Luftangriff Koblenz 19-09-1944.jpg
Von US Air Force – US-Nationalarchiv, Washington, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4411892

Vom Hummerich aus hatte man bei Tag einen wunderbaren Ausblick über Koblenz und Umgebung. In dieser Nacht war Koblenz das Ziel dieses Bombenangriffes. Die erste Welle hatte Brandbomben abgeworfen. Als die Dachstühle richtig brannten, kamen weitere Wellen und warfen Sprengbomben ab, die die Brände verteilten, bis ganz Koblenz in Flammen stand. Wir beobachteten mit ohnmächtiger Wut im Bauch das Inferno vom „Logenplatz“ aus. Unsere Gedanken möchte ich hier nicht beschreiben, wurden uns aber einig, dass Krieg der größte Wahnsinn ist, den sich Menschen ausdenken.
Damit möchte ich meinen Bericht über die „Reichssegelflugschule Hummerich“ beenden und hoffe, dass zukünftigen Generationen die Erfahrungen erspart bleiben, die wir dort machten. Hoffe aber auch, dass dieser Bericht dazu beiträgt, dass sich mehr Jugendliche –trotz allen zunehmenden Beschränkungen- für diesen wunderschönen Luftsport begeistern werden.

Ende

©Bewohner1 (Name über Katrin-musikhai zu erfahren)

Reichssegelflugschule Hummerich – Teil 3

Den Taleinschnitt vom Hummerich zum Koret nannten wir Düse, weil dort der Wind aus NW besonders heftig blies. Von dort bis zur gegenüberliegenden Schule fiel das Gelände rinnenförmig sanft ab. Der Wind blies also in einen halben Trichter. Dieser Effekt wurde für die Schulung der Neulinge ausgenutzt.
Sie kamen zuerst auf den „Wackeltopf“. Das war ein normaler SG38, der nahe des Schwerpunktes an einem galgenartigen Holzgerüst aufgehängt war. Er pendelte also frei im Wind. Aufgabe des Flugschülers war es, sich mit der Steuerwirkung des SG vertraut zu machen. Ich fand die Art der Ausbildung absurd und war überglücklich, dass unser früherer Fluglehrer größeres Vertrauen in unsere Flugkünste hatte: Es wurde sofort mit dem SG38 geflogen.

Geschult wurde am Hummerich in 4 Gruppen auf 4 Ebenen. Flugschüler der Gruppe 1 – die Neulinge – kamen zuerst auf den Wackeltopf.
Die Absolventen des Wackeltopfes starteten dann in Gruppe 2 am Fuße des Hummerichs und machten von dort aus geringer Höhe ihre ersten Sprünge. Danach ging es in Gruppe 3 zur Hangmitte. Von dort aus wurden die A- und B-Schulungsflüge geflogen.

Gruppe 4 startete von der Kuppe. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Flugaufgabe von dort oben. Gaaanz weit hinten war das Landefeld, 50 x 25 m groß, abgesteckt durch 6 weiß-rote Fähnchen. Es erschien winzig klein von dort oben. Mein innerer Schweinehund sagte mir: „Auf dieser Briefmarke willst du landen und das bei Querwind? Das schaffst du nie!“ Aber ich schaffte es doch und landete mitten im Landefeld.

Wie groß das Gelände war, lässt sich aus folgender Geschichte ermessen. Das Wetter war erträglich. Alle Gruppen schulten. Plötzlich flog im Tiefflug eine ME 109 über den Platz, drehte eine Platzrunde und landete auf dem Platz in einiger Entfernung des Landefeldes.

Me109 G-6 D-FMBB 1.jpg
Von KogoEigenes Werk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=312958

Der Pilot stieg aus, kletterte den Hummerich hinauf. Na ja, dachten wir, er erinnerte sich sicher an seine Ausbildung und sieht sich noch mal den Schulbetrieb aus der Nähe an. Wir standen mit dem Kuller am Landefeld und warteten auf „unseren SG“. Aber der landete weitab, was uns wütend machte, denn wir mussten nun weiter als nötig laufen. Wir setzten uns in Trab und ich rief schon von weitem: „X, wo landest Du denn?“. (Die Titulierung, die ich benutzte, möchte ich aus verständlichen Gründen hier nicht wiederholen.) Aber der Pilot schwieg. Als wir nahe genug heran waren, sahen wir den Grund: Es war kein Flugschüler, sondern ein Major der Luftwaffe. Eben der Pilot der ME 109! Ich wurde blass und stotterte eine Entschuldigung. Aber der Major lachte nur und sagte: „Ist schon gut Jungens. Ich wollte nur noch einmal so eine Kiste fliegen. Ich komme vom Feldflughafen Niedermendig“. Dann schnallte er den Gurt los, ging zu seiner Maschine, kletterte hinein und starte wieder, mitten im Schulbetrieb. Der ging ungestört und pausenlos weiter.

( Man stelle sich einmal vor, diese Geschichte würde sich heute -64 Jahre später- wiederholen!
Was würde wohl die Luftaufsichtsbehörde dazu sagen?)

Ende Teil 3

©Bewohner1 (Name über Katrin-musikhai zu erfahren)

Reichssegelflugschule Hummerich – Teil 2

Das Grunau Baby II spielte zu meiner Zeit keine nennenswerte Rolle. Mit meinen 1,89m Körpergröße, hatte ich Kopfprobleme. Auch bei den anderen Flugschüler war sie nicht sehr beliebt, obwohl sie eine bessere Aerodynamik und damit besseren Gleitwinkel hatte.
Weitere Maschinen waren zu dieser Zeit nicht vorhanden . Gegen Ende des Lehrgangs bekam die Flugschule einen neuen „Kranich 2(?)“. Ich erhielt den Auftrag mit 3 weiteren Flugschüler das Flugzeug aufzurüsten. Es sollte beim nächsten Lehrgang zum Einsatz kommen. Erprobt werden sollte der Windenstart.
Mit einer SG38 die „C“ zu fliegen, wäre ja auch unmöglich gewesen.
Mit einem Kranich allerdings auch. Irgend eine Spitfire, Thunderbold oder Lightning P38 hätte sie zu dieser Zeit sicher schnell vom Himmel geholt.

Zurück zum Gelände:
Es kam -wenn auch nicht oft- vor, das der Wind aus Osten blies. ( Von wehen kann in der Eifel bekanntlich keine Rede sein) Dann wurde am Koret geschult. Das war eine Schinderei. Der Hang war sehr steil. So steil, das keine noch so große Mannschaft das Flugzeug den Hang hinaufzuschieben in der Lage war. Deshalb war oben an der Hangkante eine Umlenkrolle an einem Erdspieß befestigt, über die ein Stahlseil lief. Sechs Mann liefen mit dem Seil bergab und zogen so den SG mit dem Kuller hoch.
Aber dann kam das Problem für den Piloten! Platz nehmen und anschnallen.
Man stelle sich einmal vor: Eine SG38 steht mit der Schnauze nach unten auf einem Bahndamm. Der Neigungswinkel vielleicht 50°. Dann nehmen Sie Platz auf dem offenen Sitz und schnallen sich an. Dabei durfte man sich aber nicht auf die Pedale des Seitenruders abstützen! Dann kam der Sturzflugstart!
Die „Gummihunde“ liefen los – bergab und im richtigen Moment rief der Pilot „los“. Dann kam das, was kommen musste: Die komplette Seilmannschaft fiel auf die Nase und kullerte den Abhang hinab, bis man irgendeinen Halt fand um sich wieder aufzurappeln.
Das war kein Sport für „Weicheier“. Aber auch der Pilot musste kämpfen. Startüberhöhung war strickt untersagt, war aber in diesem Fall
nicht immer einzuhalten. Bei der Beschleunigung und der großen EWD der SG38
ließ sich das Steigen über Starthöhe nicht vermeiden. Dann aber sofort in die Linkskurve, um zum Landefeld zu fliegen. Dabei bestand natürlich die Gefahr des
Strömungsabrisses. Den galt es zu vermeiden.
Schulung am Koret war Knochenarbeit. Aber Gottseidank blies der Wind aus NW oder West.

Ende Teil 2

©Bewohner1 (Name über Katrin-musikhai zu erfahren)

Reichssegelflugschule Hummerich – Teil 1

Es gibt zwei neue Kategorien in meinem Blog: ‘Gastbeitrag’ und ‘Bewohner des GTH schreiben von früher’.

Es fängt heute damit an, dass ein Bewohner von der „Reichssegelflugschule Hummerich“ berichtet.

Zu meiner Verwunderung – aber auch großen Freude – stelle ich fest, dass der Begriff „Reichssegelflugschule Hummerich“ in manchen Kreisen noch immer lebendig ist.
Was ist nun das legendäre an dieser Schule? Das zu beschreiben ist nicht einfach, aber ich versuche es. Als ich in Kruft ankam und das erstemal vor dem Schulkomplex stand, war ich sehr beeindruckt. So etwas hatte ich bisher (und auch später) nicht gesehen:
Da war zunächst das normale, mehrstöckige Hauptgebäude, in dem die Dienststelle, Büros und Verwaltung untergebracht waren. Daran seitlich angebracht ein riiiiiiiiiesenlanger, 2-geschossiger Anbau. Im Erdgeschoss waren Kantine und Essraum, Schulungs-, Mannschafts- und Waschraum untergebracht. Im Obergeschoss wohnten die Lehrer und das übrige Personal. In einem großen Raum befanden sich mehrere, lange Tische. An diesen wurde das Fallschirmpacken geübt.
Hinter diesem Anbau befand sich eine ebenfalls große Halle. Sie diente als Hangar,
Werkstatt, und Räume für den Fahrzeugpark. ( Die LKWs wurde mit Holzgas angetrieben und hatten deshalb hinter der Fahrerkabine einen „Holzgasgenerator“
eingebaut, der öfter nachgefüllt und „gestocht“ werden musste. Der Gestank war widerlich. Beladen kamen die LKWs den Anstieg auf dem Wege zur Schule aber nicht hoch und eine Handvoll Flugschüler wurden zum schieben abkommandiert.)

Nun aber das wesentlich: Das Flugfeld. Es war einzigartig. Der Hummerich mit seine 120m Höhe über Grund bot von Nord bis Süd in östlicher Richtung keine Flugmöglichkeit. Aber in westlicher einsame Spitze. Ein kilometerlanges, fast ebenes Landefeld ohne Hindernisse, nur Grasbewuchs. Nach Norden fast ebenes Gelände. Im Süden, bis auf den Taleinschnitt zum „Koret“, lag ein Höhenzug. Zu diesem Landefeld hin war der Anstieg es Hummerich zu unserem großen Glück ziemlich sanft. Der gesamte Flugbetrieb wurde nur mit Muskelkraft ausgeführt. Nix Winde zum Hochbringen. Nix aller Käfer zum Fallschirm und Maschinerückholung.
2 Gummiseile ( je 1000Fäden) und die Zugkraft von 5 bis 6 Flugschüler je Gummiseil brachten die Kisten in die Luft. Zurück ging es ebenfalls per Menschenkraft. Ein Kuller und 4 Schüler schleppten die Kisten zurück an den Startplatz. Im Laufschritt in der Ebene, denn wir wollten so oft wie möglich fliegen.
(Heute würde man das als Hochleistungssport bezeichnen.)

Schulgleiter SG-38 768pxSG38 von Aeroklub Hoyerswerda e.V. (Flugplatz Nardt) [Copyrighted free use], via Wikimedia Commons

Geschult wurde überwiegend mit der SG 38, einige Mal mit Boot. Aber nur dann, wenn der Wind sehr kräftig war. Dann wurde der Flugbetrieb eingestellt und die beiden Fluglehrerinnen ( Barbara Birn 24, aus Berlin und Hildegard Kessel 28, aus Düsseldorf) stiegen in die Kisten und zeigten uns, wie man am Hangaufwind liegende Achten flog und dabei Höhe machte und das gekonnt.
Uns blieb die Spucke weg und „Die Weiber“ stiegen gewaltig in unserer Achtung.

Ende Teil 1

©Bewohner1 (Name über Katrin-musikhai zu erfahren)

 

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