Hr. Z. und das Artillerie-Feuer

Hr. Z. saß ganz miesepetrig in seinem Rolli im Gang.

Ich verließ gerade den Aufzug nach dem Frühstück, als ich ihn sah.
„Hallo, Hr. Z.“, grüßte ich ihn freundlich.

Er zog die Stirn kraus und blinzelte in meine Richtung: „Kennen wir uns?“

„Wir singen oft zusammen“ , sagte ich.

Da klarte seine Miene auf: „Tun wir das? Was denn?“

„Junge komm bald wieder… “ , summte ich leise.

„… bald wieder nach Haus“ , sang er weiter. Er sah mich an, ganz glücklich.

Dann verdunkelte sich sein Gesicht wieder: „Hören sie das?“

„Was?“ , fragte ich ratlos.

„Sie kommen näher… die Schüsse, das Artillerie-Feuer. Hören sie das nicht?“ , flüsterte er.

„Wir sollten jetzt gehen. Bis zum nächsten mal“ , lächelte er schief und rollte davon.

13 Kommentare zu „Hr. Z. und das Artillerie-Feuer

  1. Während des Irakkrieges musste ich meiner Mutter den Fernseher abstellen. Sie bekam Angstzustände und nachts Alptraeume, wenn in den Nachrichten Filme ueber die Bombardierungen gezeigt wurden. Dabei waren es nicht die Bilder, sondern das sirrende Geräusch der fallenden Bomben, das sie sofort in die Situation zurück ersetzte, als sie als Jugendliche mit der Familie und Nachbarn dichtgedraenkt im dunklen SchutzKeller sass und sie von oben unablässig die Fliegerbomben sirrend fallen hörte.

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  2. Der Beitrag hat mich auch unerwartet berührt. Ich kenne Herrn Z. natürlich nicht, aber plötzlich versuche ich mir das Grauen vorzustellen, dass noch nach so langer Zeit so starke Spuren hinterlassen hat und mir tut Herr Z. und all die traumatisierten Opfer aller Kriege und Konflikte leid. Es hört wohl nie richtig auf…

    Keine leichte Kost, aber Danke für diesen Beitrag, der mir glaube ich noch lange im Kopf bleiben wird.

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  3. Sehr authentisch. Gut, dass ich Katrin Musikhai abonniert habe.

    Ich habe auch mal bei jemandem zufällig einen Flash-Back getriggert: Ich gab Deutsch-Nachhilfe für einen Grundschüler aus einer Einwandererfamilie. Beim Buchstaben „W“ zeigte ich Kärtchen, die „W“asser, „W“urm und „W“este darstellten. Der Junge sagte, dass er letzteres kennt. Dieses „W“ ist leuchtend orange und er trug es, als sie im Schlauchboot auf dem „W“asser einem großen Schiff winkten. Später empfahl mir eine Psychologin, wie man darauf reagieren soll. „Du hast ja richtig prägende Erinnerungen. Willst Du mir davon erzählen, so höre ich aufmerksam zu, nicht mehr und nicht weniger. Oder wir lernen weitere Wörter mit „W“.

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