Hr. Z. saß ganz miesepetrig in seinem Rolli im Gang.
Ich verließ gerade den Aufzug nach dem Frühstück, als ich ihn sah.
„Hallo, Hr. Z.“, grüßte ich ihn freundlich.
Er zog die Stirn kraus und blinzelte in meine Richtung: „Kennen wir uns?“
„Wir singen oft zusammen“ , sagte ich.
Da klarte seine Miene auf: „Tun wir das? Was denn?“
„Junge komm bald wieder… “ , summte ich leise.
„… bald wieder nach Haus“ , sang er weiter. Er sah mich an, ganz glücklich.
Dann verdunkelte sich sein Gesicht wieder: „Hören sie das?“
„Was?“ , fragte ich ratlos.
„Sie kommen näher… die Schüsse, das Artillerie-Feuer. Hören sie das nicht?“ , flüsterte er.
„Wir sollten jetzt gehen. Bis zum nächsten mal“ , lächelte er schief und rollte davon.
Während des Irakkrieges musste ich meiner Mutter den Fernseher abstellen. Sie bekam Angstzustände und nachts Alptraeume, wenn in den Nachrichten Filme ueber die Bombardierungen gezeigt wurden. Dabei waren es nicht die Bilder, sondern das sirrende Geräusch der fallenden Bomben, das sie sofort in die Situation zurück ersetzte, als sie als Jugendliche mit der Familie und Nachbarn dichtgedraenkt im dunklen SchutzKeller sass und sie von oben unablässig die Fliegerbomben sirrend fallen hörte.
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Der Beitrag hat mich auch unerwartet berührt. Ich kenne Herrn Z. natürlich nicht, aber plötzlich versuche ich mir das Grauen vorzustellen, dass noch nach so langer Zeit so starke Spuren hinterlassen hat und mir tut Herr Z. und all die traumatisierten Opfer aller Kriege und Konflikte leid. Es hört wohl nie richtig auf…
Keine leichte Kost, aber Danke für diesen Beitrag, der mir glaube ich noch lange im Kopf bleiben wird.
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Sehr authentisch. Gut, dass ich Katrin Musikhai abonniert habe.
Ich habe auch mal bei jemandem zufällig einen Flash-Back getriggert: Ich gab Deutsch-Nachhilfe für einen Grundschüler aus einer Einwandererfamilie. Beim Buchstaben „W“ zeigte ich Kärtchen, die „W“asser, „W“urm und „W“este darstellten. Der Junge sagte, dass er letzteres kennt. Dieses „W“ ist leuchtend orange und er trug es, als sie im Schlauchboot auf dem „W“asser einem großen Schiff winkten. Später empfahl mir eine Psychologin, wie man darauf reagieren soll. „Du hast ja richtig prägende Erinnerungen. Willst Du mir davon erzählen, so höre ich aufmerksam zu, nicht mehr und nicht weniger. Oder wir lernen weitere Wörter mit „W“.
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Was Krieg mit uns Menschen macht. Und trotzdem hören wir damit nicht auf.
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Krieg ist nicht nur grausam, weil Menschen auf Menschen treffen, die ihre Nachbarn, Kollegen, Sportskammeraden, Busfahrer, Urlaubsbekanntschaften… sein könnten. Plötzlich aber werden sie zu Feinden gemacht.
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Oh ja, das kenne ich. Ich saß mit meinem Vater nachts im Wohnzimmer, wenn er mir mitteilte, es sei Fliegeralarm. Nach einer Weile habe ich ihm dann gesagt, es sei „Entwarnung“, dann ging er wieder friedlich ins Bett.
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Das ist auch eine Geschichte, die ich auch in meinem Blog erzählen würde. Oft sind es (für uns) so kleine Worte, mit denen wieder Ruhe einkehrt. Hier sieht man auch, dass in des Lebens der Mensch wieder zum Kind wird.
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Es hört nicht auf. Sie haben Jahrzehnte verdrängt und nun kommt alles mit Macht wieder nach oben.
Liebe Grüße dir, Reiner
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Das finde ich auch immer wieder traurig, dass Menschen nicht aus ihren Fehlern lernen.
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Das ist schlimm, wenn man mit solchen Erinnerungen leben muss…
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Dann denke ich immer, wie glücklich ich sein kann, in einer Zeit ohne Krieg aufzuwachsen. Anschließend auch immer noch leben kann.
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Das ist eine anrührende Geschichte. Danke Katrin.
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Danke dir! Schön, dass du immer noch meinem Bog folgst auch wenn ich mittlerweile seltener erzähle!
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