Ausraster

Die Situation mit dem dementen Nachbarn zehrt sehr an meinen Nerven. Daher brauchte es auch nicht viel (nämlich nur eine ausgefallene Physiotherapiestunde) um mich ausrasten zu lassen.

Ich wusste kaum wohin mit meinem Ärger, der sich mittlerweile angestaut hatte.

Wutentbrannt raste ich mit meinem E-Rolli durch den Eingangsbereich hinaus auf den Bürgersteig vor dem Heim.

Bereits im Eingangsbereich sah mich die Sozialpädagogin und sprach mich an: „Frau S., was ist los?“ Aber ich fuhr einfach weg. Kurz danach hielt ich an, dachte nach und drehte um.

Das war gut so. Ich war hocherregt. Tränen liefen mir übers Gesicht. Wütend schluchzend brach es aus mir heraus. Ich erzählte ihr, dass mein Nachbar mir wortwörtlich den letzten Nerv raube mit seinem lautstarken Rufen. Es hindere mich am Nachtschlaf und tags am Fassen eines klaren Gedankens.

„Warum haben Sie nichts gesagt!“, fragte sie. „Ich kann nichts dagegen tun, wenn ich von nichts weiß. Bisher weiß ich nur von einer Bewohnerin auf WB1, dass sie sehr darunter leidet, dass der Bewohner einen WB höher ständig laut ruft.

„Ich habe Bescheid gesagt! Dem Pflegepersonal! Doch die meinten immer, er wäre doch eigentlich ganz lieb. Klar, wenn sie zu ihm ins Zimmer gehen, wird er ruhig. Es kümmert sich ja jemand um ihn!“, schluchzte ich verzweifelt.

„Jetzt weiß ich es ja. Ich kümmere mich darum“, sagte sie.

Sie wird das tun. Ihr glaube ich.

Dann kam noch Frau D., Hauswirtschaftsleitung, vorbei, sah mich total aufgelöst und bot Hilfe an.

Zuletzt kam Frau Sp., stellvertretende WB-Leitung meines WB, aus dem Aufzug und ich sprach sie direkt an, erzählte ihr von meiner Not. Sie versprach, sich darum zu kümmern, den Arzt anzurufen.

Endlich hatte ich das Gefühl, dass Aktionen in die richtige Richtung liefen. Es wird sich etwas ändern.

Ich fühlte mich wie ein Verräter – aber erleichtert. Ob der Erleichterung fühlte ich mich wieder wie ein Verräter.

32 Kommentare zu „Ausraster

  1. Du hast nicht gehandelt um ihm zu schaden (Verräterin) sondern um dich selber zu schützen. Dein „Ausraster“ zeigt dir wie notwendig es war. Die Freiheit des Anderen hört dort auf wo er die deine einschränkt.
    Es ist wichtig und richtig dich um dich selber zu kümmern, es ist ja auch niemandem geholfen wenn es dir schlecht geht.
    Ich umarme dich und lege eine dicke Portion „ich darf mir zu Liebe handeln“ mit in diese hinein

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  2. Liebe Katrin, im Moment so viel Leben, schweres, dass schreiben und lesen nicht immer klappt. Aber, dies habe ich verfolgt und bin froh, dass es augenscheinlich nun an die richtigen Ohren gelangt ist. Dass es dafür erst einen eigenen Fast-Zusammenbruch braucht, ja, das finde auch ich sehr traurig! Aber, Du hast das Vertrauen, es wird etwas geschehen und das ist im Ergebnis richtig! Und vielleicht erinnerst Du Dich, wenn es wieder einmal besonders schwierig sein wird (und das passiert ja unweigerlich, wenn Menschen zusammen leben, zusammen kommen, sei es in einer Nachbarschaft im Mehrfamilienhaus wie bei uns oder bei Dir, im Heim, man sucht sich seine Nachbarn nicht aus), dass es da offene Ohren gibt.
    Nur an andere zu denken ist keine Lösung, nur, wenn es einem gut geht, gelingt das erste auch!
    Liebe Grüße!

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  3. Liebe Katrin,
    ich wäre auch ausgerastet, ganz ehrlich. Keiner kann das aushalten und deshalb hoffe ich sehr, dass nach Worten nun Taten folgen und du wieder deine Ruhe bekommen wirst. Der Mann kann nichts dafür, aber du schon gar nicht, deshalb muss da eine Lösung gefunden werden, die allen gerecht wird.
    Alles Liebe und herzliche Grüße
    Regina

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  4. Bite fuehle Dich nicht als Verraeter – Dein ‚Ausraster‘ war eine normale Reaktion, wenn man eine Schmerzgrenze erreicht hat (und Deine ist sehr hoch, viele haetten das nicht so lange ausgehalten). Wenn ein Heim einen Bewohner aufnimmt, muss es in der Lage sein, sich um diese Person zu kuemmern, es reicht nicht, lediglich eine sichere und saubere Umgebung zu schaffen. Bei einer hohen Pflegestufe bekommt das Heim zusaetzliches Geld, dann muessen sich Therapeuten ueberlegen, wie man einem Menschen helfen kann, ogne die Nerven anderer Bewohner blosszulegen. Ich bin gespannt, was sich tun wird – und ich wuensche Dir ruhige Stunden. Viele Gruesse von Andrea.

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  5. Das lässt mich erinnern ans Büro, wo ich manchmal 5 Stunden am Stück von der Dauertelefonie eines Kollegen direkt hinter mir frustriert wurde.
    Geholfen hat meine Reklamation nichts.

    Gelassenheit.

    Ich lese zur Zeit, also seit gestern ein Buch zu selbem, weil es mir manchmal an Gelassenheit fehlt und mich Ärger, Zorn und Wut gefangennimmt. Es ist an der Zeit für mich, besser mit mir umzugehen.

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  6. Du hast alles richtig gemacht-ich arbeite jeden Tag mit Zementen Menschen und selbst das ist manchmal Nerven-und Kräfte zehrend…. und Du musst es Tag und Nacht mitmachen-das ist nur menschlich das man da mal ausrastet wenn nichts passiert…. wünsche Dir alles Gute und das eine gute Lösung für alle gefunden wird! 🌸🌸

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  7. Liebe Katrin,

    Du hast Dich sehr liebevoll um Deinen Nachbarn gekümmert, als Du ihm das Vorlesen angeboten hast, obwohl sein Rufen schon eine ganze Weile an Deinen Nerven zerrt! Das bewundere ich sehr! Deshalb musst Du Dich jetzt nicht als Verräterin fühlen. Das bist Du nicht! Du hast ein Recht auf Deine Ruhe, Deiner Gesundheit zuliebe.

    Gut, dass Du rechtzeitig wieder umgekehrt bist! Und gut, dass es bei Euch Mitarbeiterinnen gibt, die auf berechtigte Nöte auch persönlich eingehen! So hoffe ich jetzt mit Dir, dass es eine Lösung geben wird.

    Ich wünsche Dir, dass Du Dich wieder gut von dieser unerfreulichen Situation erholst!

    Alles Gute und lieben Gruß, Michael

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  8. Nu vergiss das mal ganz schnell wieder mit dem Verräter !!!
    Es ist doch immer das Gleiche – Man muss erst ausflippen damit was passiert
    Das ist sehr traurig und das ist der Skandal !
    „Warum haben sie denn nichts gesagt ?
    Ich glaub ich spinne
    Mal ganz abgesehen davon, dass du was gesagt hast –
    Das sieht doch wohl ein Blinder mit’m Krückstock, dass dieses Theater alle bekloppt macht
    Und es ist super von dir, dass du dich um den Mann kümmerst und er dir leid tut
    Aber es ist NICHT DEIN JOB, eine Lösung für das Problem zu finden
    Es ist ein Problem – klar – so wie Probleme in allen Bereichen des Lebens und des Arbeits-Lebens auftreten und Probleme müssen gelöst werden – von denen, deren Job es ist

    Nu sind wir mal gespannt, wie es weiter geht
    Aber über deinen Ausraster musst du dir ganz bestimmt keine Gedanken machen
    Du wohnst ja schließlich auch da und nicht freiwillig und zu deinem Vergnügen !!!!
    Deine eigene Situation ist wahrlich schon Nerven belastend genug

    Melde gehorsamst:
    Neues Design Handy tauglich 😊
    Drück dich
    Alles Liebe ❤
    Ananda

    Gefällt 3 Personen

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