Da diese Woche mein Physio-Ritter Urlaub hat und ich auch sonst keine Arztbesuche habe, ich weniger Besuch bekomme, da jeder in Weihnachtsstress zu sein scheint, ist mehr Zeit zu meiner freien Verfügung.
Also entschloss ich mich letztens, mal wieder auf dem WB der verwirrten Seelen einen Besuch zu machen. Dort wohnt ja auch der Wurzelsepp. Vielleicht könnte ich ihn ja sehen. Es war zwar noch nicht weit nach der Mittagspause. Vielleicht schlief er also noch. Nun, ich würde es bald erfahren.
Ich schaffte es, die schwere Tür zum WB zu öffnen und rollte also zuerst in Richtung Zimmer des Wurzelsepps. Ich konnte ihn schon auf dem Flur zetern hören. 😉 Die Pflegerin sprach streng mit ihm. Ansonsten hat man ja keine Chance bei ihm und sie wusste das. 😀
Ich blieb auf dem Flur stehen und lugte zur offenen Tür ins Zimmer hinein. Die beiden waren noch im Bad.
Die Pflegerin schaute aus der Badezimmertür: „Einen Moment noch… wir sind gleich fertig.“ Sie hatte wohl meinen E-Rolli gehört.
Mir war klar, dass ich noch nicht einrollen sollte. Ich wartete geduldig. Ich war ja froh, dass ich den Sepp gleich treffen konnte. 🙂
„So“, sagte die Pflegerin, „jetzt ist er so weit. Ich weiß aber nicht, ob er viel sprechen wird. Gestern war er ganz in sich gekehrt.“
Oh… er sah so klein und zusammengesunken aus, wie er da schief in seinem Rolli saß.
Ich kam näher. „Hallo!“, sagte ich und strich über seinen Arm, dann seine Hand.
„Oh ja!“, sagte er ganz begeistert, blickte aber immer noch zu Boden.
Ich streichelte ihn weiter. „Guck mich mal an!“
„Oh ja, das ist gut!“, genoss er immer noch meine Streicheleinheiten. Dann schaute er auf. „Hier ist viel Platz. Du kannst bleiben. Wir können zu zweit hier wohnen. Das Bett ist auch sehr groß. Da ist genug Platz für zwei!“
Der Schlawiner!
„Komm, lass uns Kaffee trinken gehen“, meinte ich, „im kleinen Speisesaal gibt es Kaffee und Kuchen.“
„Ja, gut. Wo ist das?“, er war einverstanden. Der kleine Speisesaal ist nur ein paar Meter von seiner Tür entfernt.
„Kannst du selbstständig mit dem Rolli fahren?“, ich war mir da nicht so sicher.
„Ja!“, sagte er selbstbewusst, kam dann aber doch nicht von der Stelle.
„Pass auf“, sagte ich, manövrierte mit dem E-Rolli direkt vor ihn und streckte meine Hand nach hinten aus. Ich spürte, wie er nach ihr griff und fest zufasste. „OK, es geht los!“, rief ich und wir setzten uns ganz langsam in Bewegung. Ich hätte nicht gedacht, dass das klappen würde, aber schon waren wir am Ziel.
Im kleinen Speisesaal waren schon eine ganze Menge Bewohnerinnen. Sie warteten auf den Kaffee. Als unser kleiner Zug dort ankam, wurden wir mit lautem ‚Hallo!!‚ begrüßt. Der Wurzelsepp ließ meine Hand los und trippelte an seinen Stammplatz.
„Ich will Kaffee!„, rief er mit autoritärer, lauter Stimme.
„Einen Moment dauert es noch! Er ist noch nicht ganz durchgelaufen“, sagte die Hauswirtschafterin.
Also versuchte ich den Wurzelsepp ein wenig zu beschäftigen, damit er friedlich blieb. Immerhin war mein Streicheln über Arm und Hand ja sehr beliebt. 😉
Dann wurde eine Tasse Kaffee und ein Teller mit Butterkuchen vor dem Sepp abgesetzt. Sofort nahm er einen großen Schluck… und jammerte: „Oh, der ist aber heiß!“ Die Hauswirtschafterin goss noch mehr Milch in die Tasse. Er nahm einen zweiten Schluck. Jetzt war die Temperatur wohl gut, denn er biss herzhaft in seinen Kuchen. Dann meinte er bestimmt zu mir: „Du kannst jetzt gehen!“
Aha, ich war also entlassen. 😉
Du bewegst soo viel in deiner Umgebung. Ich bewundere deine Kraft
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Danke! *rotwerd*
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Als ich die Geschichte las, musste ich hellauf lachen. Hast Du noch mehr?
Schönen Abend noch.
LG.,
Rom
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Ich habe heute noch mal eine geschrieben. Die kommt dann übermorgen, wenn ich ihr morgen den letzten Schliff verpasst habe. 😉
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Super, dass du auch solche Leute besuchst.
Das Streicheln kommt gut an. Und euer Rolli-Zug auch.
Aber als er genug zu Trinken und Essen hatte, warst du entlassen.
liebe Grüße Bärbel
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Dein Besuch, und dass du den Wurzelsepp zum Kaffeetrinken „entführt“ hast, hat bestimmt euch beiden gut getan. 🙂
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Hat es! 🙂
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Du hast dem Wurzelsepp ein paar schöne Minuten bereitet. Das ist ganz lieb von dir. Die „Entlassung“ sieh einfach so an, dass er rundum zufrieden war 🙂
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🙂 So hab ich das auch gesehen. Ich habe mich gefreut, dass der alte Grantler wieder durchkasm. Das war ein gutes Zeichen!
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Deine Geschichten tun manchmal ganz schön weh. und das meine ich wörtlich: gut sie zu lesen und sich bewusst zu machen, was menschliches Sein ist, wenn der Geist aus ihm weicht.
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So ist das Leben. Guck doch mal in deiner Nachbarschaft, da findest du ähnliches. Vielleicht keine Demenz, aber genug, um helfen zu können .
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Du hast bestimmt Recht, aber manchmal braucht es einen ‚Weckruf‘, damit man es sieht.
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Weißt du Katrin, die Menschen müssen sich auch wecken lassen wollen. Ich habe schon so oft geweckruft und gekommen ist niemand!
Gehört habe ich folgendes: Du musst nur sagen, wenn du Hilfe brauchst! Wenn ich es dann gesagt habe, war ganz viel anderes, das Vorrang hatte.
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Ich weiß, kenne ich auch. 😔
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Nachtrag: und genau deswegen finde ich deine Besuche auf den anderen Wohnbereichen, ganz besonders bei den weitinderVergangenheitlebenden so wichtig und toll.
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Die Bewohner dort sind einfach liebenswert. Wie Kinder…
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Stimmt. Bevor ich hierher zog, hatte ich mir darüber auch noch nicht viele Gedanken gemacht.
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